Installationsansicht, »Frisch zum Kampfe! Frisch zum Streite!«, kuratiert von Ljubomir Bratic, Nora Sternfeld im Rahmen des Projektes »Verborgene Geschichte/n Remapping Mozart«, Wien 2006, Foto: Lisl Ponger

Installationsansicht, »Frisch zum Kampfe! Frisch zum Streite!«, kuratiert von Ljubomir Bratic, Nora Sternfeld im Rahmen des Projektes »Verborgene Geschichte/n Remapping Mozart«, Wien 2006, Foto: Lisl Ponger


Nora Sternfeld

*1976 in Wien, lebt und arbeitet in Helsinki/Finnland.

Nora Sternfeld ist Professorin für Curating and Mediating Art an der Aalto University in Helsinki (www.cummastudies.wordpress.org). Sie ist Gründungsmitglied des Wiener Büro trafo.K, das an Forschungs- und Vermittlungsprojekten an der Schnittstelle von Wissensproduktion und Bildung arbeitet (www.trafo-k.at). Darüber hinaus ist sie im Leitungsteam des ecm – educating/curating/managing. masterlehrgang für ausstellungstheorie und praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien (www.ecm.ac.at) und im Kernteam von schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis. (www.schnitt.org) Sie hatte Gastlehraufträge an der Akademie der bildenden Künste Wien, der Wiener Kunstschule, der Humboldt Universität zu Berlin, der Kunstuniversität Kassel, der Zürcher Hochschule der Künste und der Pädagogischen Hochschule Wien.
Kuratorische Projekte waren u. a. »Taking Time« (2013, Gallery Augusta, Suomenlinna, Helsinki mit Teemu Mäki); »Widersprüche! Critical Agency and the Difference within« (2011, Open Space Wien); »Nichts für uns. Alles für alle! Strategischer Universalismus und politische Zeichnung« (2007, IG Bildende Kunst mit Toledo i Dertschei); »Summit. Non-Aligned Initiatives in Education Culture« (2007, HAU Berlin mit Kodwo Eshun, Susanne Lang, Nicolas Siepen, Irit Rogoff, Florian Schneider), »Verborgene Geschichte/n – remapping Mozart« (2006, Wien, mit Ljubomir Bratic, Araba Johnston-Arthur, Lisl Ponger, Luisa Ziaja).
Sie publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Vermittlung, Ausstellungstheorie, Geschichtspolitik und Antirassismus. Zuletzt erschienen »Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung. Transnationales Lernen über den Holocaust in der postnazistischen Migrationsgesellschaft«, Wien 2013 sowie schnittpunkt (Hg.), »Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis«, UTB/Böhlau, Wien 2013.

Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Persson Perry Baumgartinger, Erika Doucette, Marty Huber, »queere Picknickdecke«, Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Persson Perry Baumgartinger, Erika Doucette, Marty Huber, »queere Picknickdecke«, Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Petja Dimitrova, »Allianzt euch!«, Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Petja Dimitrova, »Allianzt euch!«, Installationsansicht, »Nichts für uns. Alles für Alle. Strategischer Universalismus und politische Zeichnung«, kuratiert von Nora Sternfeld und Toledo i Dertschei, IG Bildende Kunst, Wien 2007, Foto: Regina Wuzella

Installationsansicht, »Widersprüche! Critical Agency and the Difference Within«, kuratiert von: Nora Sternfeld, Open Space, Wien 2011, Foto: Eva Dertschei

Installationsansicht, »Widersprüche! Critical Agency and the Difference Within«, kuratiert von: Nora Sternfeld, Open Space, Wien 2011, Foto: Eva Dertschei

Das Foto zeigt die Intervention des Künstlers Eduard Freudmann, der eine antisemitische Informationstafel aus einem Wiener Bezirksamt von der Wand nahm und sie durch die Kopie eines Kunstwerks des israelischen Künstlers Menachem Lemberger mit dem Titel »Jewish Bravery« ersetzte. Danach brachte er die Tafel in den Ausstellungsraum im Open Space und schrieb einen informierenden Text dazu an die Wand. Allerdings blieb die Tafel nicht lange im Ausstellungsraum: Jemand im Bezirksamt hatte die Polizei gerufen. Mehrere PolizistInnen entfernten die Tafel aus der Ausstellung und brachten sie wieder ins Bezirksamt zurück. Eduard Freudmann wurde verhört und angezeigt. Nach einem offenen Brief an das Bezirksamt und einem Artikel in der Tageszeitung »Der Standard« wurde die Tafel abgenommen und das gerichtliche Verfahren zurückgezogen.

Involvierungen.

Das post-repräsentative Museum zwischen Verstrickung und Solidarität


Ein Beitrag von Nora Sternfeld



Sehr lange stand außer Frage, dass Museen Identität produzieren, »Eigenes« und »Fremdes« zum Thema haben, nationale Unterscheidungen (re-)produzieren, wertvolle Objekte und objektive Werte zeigen. Und obwohl dies geschah, wurde gerade davon in den Museen selbst nicht gesprochen. So war das Museum moderner Kunst zunächst und zumeist ein Akteur, der sich selbst mit seinen scheinbar neutralen »white cubes« unsichtbar machte. Doch Museen sind in Machtverhältnisse verstrickt. Und die selbstverständlichen Prämissen des Museums – seine scheinbare Neutralität und Objektivität, seine gleichzeitigen folgenreichen Unterscheidungen, die Macht seiner Präsentationsformen und seine zumeist bürgerlichen, westlichen, patriarchalen und nationalen Gesten des Zeigens – wurden längst infrage gestellt. Folglich bröckelten somit auch der überzeitliche Wahrheitsanspruch und die Allgemeingültigkeit musealen Wissens.

Nach verschiedenen künstlerischen Infragestellungen der Repräsentation und Wellen der Politisierung der Kunst über das gesamte 20. Jahrhundert – denken wir, um nur zwei Beispiele zu nennen, an die konstruktivistische Avantgarde im Russland der 1920er Jahre1 oder an den politischen Konzeptualismus im Lateinamerika der späten 1960er und 1970er2 – wurde die direkte kritische Adressierung der Museen und Institutionen in den 1990er Jahren auch im sogenannten Westen noch einmal explizit. Die theoretischen Ansätze der kritischen Museologie und die künstlerischen Praxen der Institutionskritik3 rückten die Institutionen selbst in den Fokus der Auseinandersetzung. So wurde nunmehr die »Objektivität« und »Neutralität« der Museen und Ausstellungen kritisch thematisiert, ihre politischen und ökonomischen Verstrickungen offen gelegt. KünstlerInnen und TheoretikerInnen analysierten sie als ideologischen Staatsapparat, als Faktor am Kunstmarkt, als Motoren einer Ökonomisierung von Kultur und Bildung.4 Nach diesem sogenannten »reflexive turn« entwickelte sich eine zunehmend transdisziplinäre und transnationale kuratorische Praxis, die die Kritik rezipiert und in ihrer Folge Handlungsformen entwickelt hat. Vor diesem Hintergrund wurde das, was unter Ausstellen gefasst war, neu gedacht und experimentell erweitert.

Im Ausstellungsbereich wird daher zunehmend von einer »Krise der Repräsentation«5 gesprochen. Mittlerweile scheint diese – mehr oder weniger mutig, mehr oder weniger fadenscheinig – auch in den großen Kunstmuseen angekommen zu sein.6 Auf keinen Fall sollen dabei allerdings die zahlreichen radikalen Reklamationen und Kämpfe um Repräsentation vergessen oder gar delegitimiert werden, die sich mit dem mächtigen Wissen der Institutionen aus feministischer, antirassistischer, antikolonialer Perspektive angelegt haben. Vielmehr kann die Krise der Repräsentation als ein Ergebnis dieser Kämpfe um Repräsentation verstanden werden. Einerseits griffen sie die massiven Ausschlüsse aus dem scheinbar objektiven Kanon von »Kunst« und »Geschichte« an. Andererseits verdeutlichten sie, mit welchen Mitteln sich westliche Institutionen und weiße Blickregime als universal erklären, indem sie die sogenannten »Anderen« als Ausnahme generieren und die eigene Interessiertheit und Positioniertheit (ganz wie der white cube) dabei selbst unsichtbar bleiben lassen. Diese mächtige Wissensproduktion, die sich selbst zum universalen Subjekt und scheinbar andere zu Objekten des Wissens ernennt, bezeichnet die postkoloniale Theorie mit dem Begriff der »epistemischen Gewalt«. Es waren jene antikolonialen, feministischen und antirassistischen Kämpfe, die die Basis für eine Repräsentationskritik in Kunst und Theorie bildeten. Zwangen diese doch die Institutionen der Wissensproduktion durch politische Organisation und zähes Insistieren zur Selbstreflexivität und Selbstkritik. Sie legten die machtvolle Interessiertheit jener Perspektiven offen, die ihre eigene Position zugleich unsichtbar machen und zur Norm erklären.

Ein post-repräsentativer Zugang kann die Geschichte dieser Kämpfe gegen und um Repräsentation nicht einfach hinter sich lassen. Vielmehr könnte sich die Frage stellen, inwieweit eine prozessuale post-repräsentative kuratorische Praxis – insofern sie sich als öffentliches und intellektuelles Handeln versteht – sich nicht vielmehr in Solidarität zu den bestehenden sozialen Kämpfen formulieren könnte und müsste. Der Kulturphilosoph und Kultursoziologe Oliver Marchart spricht in diesem Zusammenhang von Ausstellungen als »Ex-Positionen« – im Sinne von Stellungnahme und Positionierung. Für ihn besteht die kuratorische Funktion in der Organisation von Öffentlichkeit und damit in der »Organisation des Unmöglichen«, insofern sie nämlich auf das zielt, was, »in einer bestimmten Situation vom hegemonialen Diskurs als unmöglich definiert wird.«7 So lässt sich die ständige Involviertheit von KuratorInnen, also nicht nur von der Seite ihrer Verstrickungen verstehen, sondern auch von seiner anderen Seite: Der bewussten und permanenten solidarischen Involvierung8 in öffentliche Debatten und soziale Kämpfe.

Anmerkungen
1  Vgl. El Lissitzky, Element and Invention, in: Sophie Lissitzky-Küppers, El Lissitzky: Life. Letters. Texts, London 1968, S. 349–351, hier S. 350: »Every form is the petrified snapshot of a process. Therefore, work is a station in evolution and not its petrified aim.«

2  Vgl. Graciela Carnevale and the militant investigations of Colectivo Situaciones in Buenos Aires, http://www.reactfeminism.org/entry.php?l=lb&id=27&e=a&v=&a=Graciela%20Carnevale&t= [11.11.2013], or Cecília Vicuña, El Vaso de Leche, Bogotá l979 in Chile: »Precarious works as an act of political and cultural resistance: »Politically, they stand for socialism, magically they help the liberation struggle, and aesthetically they are as beautiful as they can be to comfort the soul and give strength.«, http://www.reactfeminism.org/entry.php?l=lb&id=161&e=a&v=&a=Cecilia%20Vicu%C3%B1a&t= [11.11.2013]

3  Vgl. Tony Bennett, The Birth of the Museum, New York 1995; Carol Duncan, Civilizing Rituals Inside Public Art Museums, London/New York 1996; Peter Vergo, The New Museology, London 1989; Alexander Alberro/Blake Stimson, Institutional Critique: An Anthology of Artists' Writings, Cambridge, Mass. 2009; Andrea Fraser, From the Critique of Institutions to an Institution of Critique, in: Artforum, New York, September 2005, Vol. 44, Issue 1, S. 278–283.

4  Vgl. Hans Haacke, Maria Eichhorn, Andrea Fraser, Marion von Osten, Group Material u.a.

5  Vgl. z. B. Goldstein, Ann and Jacob, Mary Jane and Rorimer, Anne and Singerman, Howard, A Forest of Signs: Art in the Crisis of Representation, Los Angeles, The Museum of Contemporary Art, Cambridge, Mass. 1989 sowie ARGE schnittpunkt (Hg.), Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis, Böhlau/Wien 2013.

6  So scheint in vielen Institutionen ein post-repräsentativer turn auf den Anderen zu folgen: Wir haben kürzlich vom »spatial turn« gehört, vom »performative turn«, dem »educational turn« und neuerdings auch vom »choreographic turn« oder vom »activist turn«. All diese diskursiven und kuratorischen Trends verweisen auf einen Zusammenbruch des unhinterfragten Repräsentationsregimes, ohne die grundlegende Dimension des Paradigmenwechsels anzuerkennen, wird dieser doch als »turn« fast zur Modeerscheinung reduziert.

7  Oliver Marchart, Die kuratorische Funktion. Oder, was heißt eine Aus/Stellung organisieren?, in: Barnaby Drabble, Dorothee Richter (Hg.), Curating Critique, Institute for Curatorship and Education Edinburgh, Frankfurt a. M. 2007, S. 172–179, hier S. 174.

8  Ich verdanke das Konzept des involvierten Kuratierens zahlreichen Gesprächen mit Katharina Morawek, Direktorin, Geschäftsleitung und kuratorischen Leitung (zusammen mit Can Gülcü und Yolanda Hug) der Shedhalle in Zürich.