Barbara Steiner

*1964 in Dörfles/Österreich, lebt und arbeitet in Leipzig.

Dr. Barbara Steiner ist Kuratorin, Autorin und Herausgeberin mit den Arbeitsschwerpunkten Architektur, Design und Display im Ausstellungs- und Museumsbereich. 2012 und 2013 übernahm Steiner die künstlerische Leitung des transnationalen Projekts »Europe (to the power of) n«, eine Ausstellungsserie, die  in London, Minsk, Łódź, Istanbul, Oslo, Novi Sad, Brussels, San Sebastián, Beijing and Taipei stattfand. Von 2001-2011 war sie Direktorin der Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (GfZK). Dort arbeitete Steiner u. a. mit Jun Yang, Christine Hill, Deimantas Narcevicius, Muntean & Rosenblum und dem Atelier Le Balto. In enger Zusammenarbeit mit as-if berlinwien wurde 2002-2004 die bauliche Erweiterung der GfZK durchgeführt. In den 1990er Jahren leitete Steiner die Kunstvereine in Ludwigsburg und in Wolfsburg, wo wo sie unter anderem Einzelausstellungen von Angela Bulloch, Rirkrit Tiravanija, Philippe Parreno, Olafur Eliasson, Karen Kilimnik und Superflex kuratierte. Steiner studierte Kunstgeschichte und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Ihre Doktorarbeit schrieb sie zur Ideologie des weißen Ausstellungsraumes.
Steiner publizierte eine Reihe von Künstler-Monografien, u.a. von Jorge Pardo, Christine Hill, Superflex oder Josef Dabernig und themenbezogene Bücher wie etwa Autobiography in Art (mit Jun Yang), 2004, Mögliche Museen (mit Charles Esche), Köln 2007, Spaces of Negotiation (mit as-if wienberlin), 2009, Das eroberte Museum, 2010, Scenarios about Europe, 2012, und The Europen-Book, 2013. Kürzlich ist in Kooperation mit BIG – Bjarke Ingels Group, TOPOTEK 1 und Superflex ein umfangreiches Buch zu Superkilen, einem großangelegten Park-Projekt im öffentlichen Raum Kopenhagens, erschienen.

Mögliche Museen

Ein Beitrag von Barbara Steiner



2007 habe ich zusammen mit Charles Esche das Buch »Mögliche Museen«1 herausgegeben, das sich der Entwicklung von Museen für moderne und zeitgenössische Kunst widmet. An Hand von zehn Beispielen aus den letzten 50 Jahren untersuchten wir gemeinsam mit verschiedenen AutorInnen das öffentliche Museum hinsichtlich seines Potenzials für Erneuerung und Bildung sowie für die (kritische) Reflexion sozialen Wandels. Uns haben vor allem jene historischen Momente interessiert, in denen Veränderungen möglich schienen, die zuvor undenkbar waren. Mögliche Museen sind also denkbare Museen, Museen, die wir uns als Alternative zu bestehenden Auffassungen vorstellen können. Uns interessierte die Ambivalenz dieser Einrichtungen zwischen Ideal und gesellschaftlicher Realität, Anforderungen zur Veränderung und größtem Beharrungsvermögen. Vor diesem Hintergrund gesehen sind Museen immer auch als »Kompromiss« zu sehen, wie Allen Kaprow formulierte, »zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll«.2 Aus heutiger Sicht würde ich den kategorischen Imperativ Kaprows zugunsten dessen »was sein könnte« abändern wollen, aber sein Befund hat für mich weiterhin Gültigkeit: Es ist genau dieser Spalt, der einen utopischen Moment aufleuchten lässt, in dem Sinne, dass Alternativen zu einem wie auch immer gearteten Status Quo vorstellbar werden. Dieses Aufblitzen eines utopischen Moments ist vielleicht die wichtigste Konstante in der Museumsgeschichte.

Aus meiner Sicht sind allerdings in unserem Buch Entwicklungen zu kurz gekommen, die seit den 1980er Jahren die Museumslandschaft nachhaltig verändert haben und im Wesentlichen mit Ökonomisierungsprozessen zu tun haben.3 Die von uns gewählten Beispiele haben – trotz ihrer Unterschiede – gemeinsam, dass das Nachdenken über das Museum und die daraus resultierenden Veränderungen jeweils von zeitgenössischer Kunst ausgingen sowie von starken idealistischen Allianzen zwischen KünstlerInnen und Museumsverantwortlichen getragen wurden. Diese idealistischen Verbindungen gibt es immer noch – jedoch sind Verstrickungen zwischen wirtschaftlichen und künstlerischen Interessen im Museumsbereich unübersehbar geworden und damit neue Allianzen entstanden. Bei diesen geht es nicht um eine jahrelange inhaltliche Auseinandersetzung, um den Entwurf eines neuen, »möglichen« Museums, sondern um ein effizientes Agieren zu wechselseitigem Vorteil – letztendlich um eine ökonomische Gestaltung von Beziehungen. Bleibt die Frage nach kritischer Praxis heute, die inzwischen ebenfalls ihren angestammten Platz in den Museen gefunden hat. Dabei ist die Analyse des Kunstbetriebs genauso willkommen wie das Aneignen und Aufbrechen musealer Präsentation, solange dies den Betriebsablauf nicht stört und Aufmerksamkeit generiert, die sich in Wirtschaftszahlen positiv niederschlägt. Die Erweiterung von Wissenskontexten wird begrüßt, wenn sich dies ökonomisch verwerten lässt. Das Interesse an globalen Entwicklungen und die Akzeptanz von Kritik zeugen von der Fähigkeit selbstkritischer Reflexion. Sehr schnell kann – selbst noch so ernst gemeinte Kritik – zu einer rhetorischen Geste werden bzw. zum Dekor eines Systems mutieren gegen das es sich ursprünglich richtete. Bestimmte Elemente der Kritik werden aufgenommen, und zwar genau so viel, wie zur gesellschaftlichen Rechtfertigung und zum Erhalt des musealen Apparats nötig sind. Diesbezüglich haben Museen ein, wenn nicht das Prinzip kapitalistischen Erfolgs schlechthin, adaptiert: Die punktuelle und kalkulierte Einverleibung von Kritik. Dieses von Luc Boltanskis und Ève Chiapellos im Buch »Der neue Geist des Kapitalismus« entwickelte These besagt, dass sich der Kapitalismus vor allem aufgrund der an ihm geübten Kritik aus den Bereichen der Kunst und des Sozialen und der punktuellen Aufnahme dieser Kritik immer wieder erfolgreich modifizieren und stabilisieren konnte.4

Das heißt natürlich nicht, dass Kritik überhaupt nicht mehr möglich ist, lediglich, dass sich die Formen der Kritik verändern müssen – etwas, das Irit Rogoff mit dem Begriff »Kritikalität« auf den Punkt gebracht hat.5 Es bedeutet letztendlich für alle Beteiligten, innerhalb der Abhängigkeit von bestehenden Strukturen ein kritisches Verhältnis zu diesen zu entwickeln, in ökonomischen Strukturen zu arbeiten und diese gezielt in Frage zu stellen bzw. die Gefahr der Vereinnahmung und die Möglichkeiten des Widerstands gleichermaßen auszuloten. Dies erfordert daraus resultierende Widersprüchlichkeiten sichtbar zu machen und damit zu exponieren. Aus diesen Diskrepanzen heraus können dann reibungsvolle Diskurse entstehen über das, was ist, und dem, das sein könnte, und es erlaubte, nach emanzipativen Möglichkeiten in einem durch und durch ökonomisierten Raum Ausschau zu halten.

Anmerkungen
1 Charles Esche und Barbara Steiner (Hg.): Mögliche Museen, Köln 2007.
2 Allen Kaprow, in: Allen Kaprow, Ausst.-Kat. Pasadena Art Museum, 1967, o. S.
3 Dieser Paradigmenwechsel steht im Mittelpunkt meines Buches: Das eroberte Museum, Berlin 2010.
4 Luc Boltanski und Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2003, S. 526 ff.
5 Irit Rogoff: »Was ist ein Theoretiker?«, in: Was ist ein Künstler? Das Subjekt in der modernen Kunst, Martin Hellmold u.a. (Hg.), München 2003, S. 274.