Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

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Karl-Josef Pazzini

*1950 in Krauthausen, lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg.

Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini ist Professor für Bildende Kunst und Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg und Psychoanalytiker in eigener Praxis (Berlin/Hamburg). Außerdem ist er Mitbegründer der »Assoziation für die Freudsche Psychoanalyse«, des »Psychoanalytischen Kollegs«, der Hamburger Forschungsgruppe für Psychoanalyse (HAFPA), des Jüdischen Salons im Grindel (Hamburg), der Wissenschaftlichen Assoziation: »Kunst – Medien – Bildung« und der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin. Er ist Mitherausgeber der Reihe »Theorie Bilden« (transcript). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem Bildung vor Bildern, Psychoanalyse & Lehren, Setting in der Psychoanalyse, unschuldige Kinder, Übertragung & Grenze von Individuum und Gesellung. Siehe auch: http://mms.uni-hamburg.de/blogs/pazzini; http://freudlacan.de, http://www.cafeleonar.de; http://psybi-berlin.de; http://www.pazzini-psychoanalyse.de

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Tom Powel

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Karl-Josef Pazzini

Tavares Strachan, Polar Eclipse, installation view, Bahamas National Pavilion, 55th Venice Biennale, photo: Karl-Josef Pazzini

Eis vom Nordpol in Venedig

– Notizen zu Tavares Strachan

von Karl-Josef Pazzini



Das Museum ist ein Ort der Artikulation, von hier gehen Geschichten aus, sozusagen die Couch des Kunstbetriebs. Dabei ist klar: Nicht jeder, der sich auf die Couch legt und spricht, macht eine Analyse, kommt in eine Produktion, die Vergangenheit schafft. Museen können an der Produktion von Vergangenheit beteiligt sein, indem sie konservieren. Der Vorgang des Konservierens ist die Voraussetzung im Museum Vergangenheit zu schaffen. Vergangen ist aber nur etwas, das eine Grenze gemeinsam hat mit der Gegenwart und Zukunft, nicht mehr in der Gegenwart rumgeistert, um dort alte Ansprüche zu erfüllen oder für Verletzungen neue Verantwortliche zu finden. Diese Grenze wird in Ausstellungen realisiert, indem Werke präsentiert werden, also mit der Gegenwart in Kontakt treten. Das alles ist nicht selbsterklärend, weil die Relationen und die Entstehungszusammenhänge nicht als Substanz dem ausgestellten Gegenständlichen wahrnehmbar anhaften. Sie sind repräsent. Höchstens diffus, indem erkannt wird, dass etwas aus einer anderen Zeit kommt.

Insofern ist das Museum oder die Ausstellung eine produktive Herausforderung für Künstler, Konservatoren, Ausstellungsmacher und Besucher. Sie geraten in ein Spannungsverhältnis, das neue Produktionen möglich macht, wenn denn die dabei vielfältig notwendigen Trennungsprozesse verkraftet werden können. Es folgt Erleichterung, Aufbruch, Denk- und Produktionsanforderung unterschiedlicher Art. Die Übertragung wandelt sich vom Widerstand, der das Vergangene konservieren und wiedertreffen möchte, in eine Liebesbeziehung, d.h. eine Offenheit für unsägliche Kleinigkeiten und Einzigartigkeit, Fremdheit, Befremdung, Achtsamkeit und die Akzeptanz, dass nicht alles verstanden werden kann, wohl aber aufgenommen werden kann mit dem Risiko der Infektion, der Enttäuschung, des Vertrauensbruchs.

Tavares Strachan hat auf der Biennale in Venedig 2013 im Pavillon der Bahamas1 das thematisiert. Er konnte nicht wissen, dass seine Arbeit mit anderen Assoziationen und Erinnerungen zusammenkam und den Text hier oben mitproduzierte. Strachan setzt sich mit dem eigenen Verschwinden auseinander, der Produktion von Gegenwart und Anwesenheit, dem Konzeptionellen und Fiktiven der Erfindung und was es kostet, einen originalen und einen geklonten Eisblock vom Nordpol auszustellen, um auf die Zerstörung durch das menschliche Leben oder Neugier oder Aneignungssucht hinzuweisen. Die Konservierung und Präsentation setzt durch hohen Energieverbrauch die Zerstörung fort, die aufgezeigt wird. Dabei bleibt der Klotz ganz. Ist aber ein ganz anderer geworden - im Verhältnis zum Nordpol.

Anmerkungen

1 Siehe: http://venicebahamas2013.org; https://www.youtube.com/watch?v=hSYGBFdPgfs [23.08.2013]