Maha Maamoun
»2026«, Ägypten 2010
Video, s/w, Ton, 9 Min.
Schauspieler: Ahmad Kamal, Produktion: Tamer Eissa, Doa Aly, Lighting: Kareem Seif, Schnitt: Maha Maamoun & Louly Seif, Text: From the novel: The Revolution of 2053 – The Beginning. By Mahmoud Osman, Regie: Maha Maamoun
Courtesy of Maha Maamoun

Maha Maamoun, »2026«, 2010, Videostill, Courtesy of Maha Maamoun

Maha Maamoun, »2026«, 2010, Videostill, Courtesy of Maha Maamoun

Maha Maamoun, »2026«, 2010, Videostill, Courtesy of Maha Maamoun

Maha Maamoun

15. Juni – 15. Juli 2012

Eingeladen von Stefanie Schulte Strathaus (Kuratorin, Arsenal - Institut für Film und Videokunst, Berlin)

»Das Kino wäre also nicht über die Bewegung zu definieren, sondern über die Zeit.« (Christa Blümlinger)

»2026« (2010)

Basierend auf dem Roman »Die Revolution von 2053: Der Anfang« von Mahmoud Osman und bezugnehmend auf den Film »La jetée« von Chris Marker (Frankreich, 1962). Addiert man zum Filmtitel die Jahreszahlen und ermittelt anschließend ein Durchschnittsjahr, so kommt man ins Jetzt:

2026 + 2010 + 2053 + 1962 = 8051: 4 = 2012.

Von hier aus beginnen wir eine Zeitreise: Mahmoud Osman verlegte einst in seinem Sci-Fi-Roman die ägyptische Revolution ins Jahr 2053 und wählte Indien als Beispiel für ein geglücktes Demokratie-Experiment. Fliegt man heute von Bombay nach Kairo, so hat man genau die Zeit, die man braucht, um die 419 Seiten dieses Romans zu lesen (1,4 min/Seite).

In Kairo angekommen erscheinen einem die Pyramiden erstaunlich einsam, wie eine verlassene Bühne, oder – in Anbetracht der stetig näher rückenden Häuser – eine Stadt der Zukunft. Waren sie doch einst ein Touristenmagnet, wie Maha Maamoun in ihrer früheren Arbeit »Domestic Tourism II« gezeigt hat – unter Verwendung von Bildern aus der Geschichte des ägyptischen Kinos von den 1950er Jahren bis ins Jahr 2000. Will man heute von der ägyptischen Revolution profitieren, so kann man weiter nach Paris reisen. Hier hat Chris Marker aus unzähligen Standbildern seinen Film zusammengesetzt. Auf dem Flug gewinnt man – Zeit. Die Sommerzeit wurde 2011 im Zuge der Revolution als überflüssige Zeitkonstruktion abgeschafft, bei der Ankunft ist es eine Stunde früher. Rückt 2053 dadurch näher oder weiter weg?

Die gewonnene Stunde kann man dazu nutzen, sich den Fotoroman von Chris Marker zweimal anzusehen (2 x 28 Minuten), einmal in der französischen Sprachfassung (La jetée) und einmal in der deutschen (Am Rande des Rollfelds). In diesem Fall besteht das Experiment darin, dass Überlebende eines Atomkriegs einen Gefangenen auf eine Reise in die Zeit schicken. Durch die Erinnerung an ein besonders starkes mentales Bild, das Gesicht einer Frau, gelingt es ihm, sie in der Zukunft zu treffen.

Das Jahr 2026 ist im Kino bereits ins kollektive Bewusstsein übergegangen. 100 Jahre zuvor verlegte Fritz Lang den Klassenkampf in Metropolis in das Jahr 2026. Ich frage Maha per Mobiltelefon nach der Bedeutung dieses Jahres. Sie selbst hatte auf die gleiche Frage bereits 2010 eine Antwort von Mahmoud Osman erhalten, die sie mir schickt:

»Was das Jahr 2026 betrifft, ist die Antwort, dass ich kein spezifisches Datum gewählt habe, sondern zurück gerechnet habe. Ich wollte eine ähnliche Situation wie die, der wir gerade während der nächsten Präsidentenwahl gegenüberstehen. Ich bin also davon ausgegangen, dass der aktuelle Präsident 2011 seine letzte Wahl antritt (altersbedingt). Danach gibt es 6 Amtsperioden für seinen Sohn (jeweils 6 Jahre lang), was uns ins Jahre 2047 wirft, was dann altersbedingt auch das Datum der letzten Wahl für den Sohn sein wird. Bis zum Jahre 2053 wird dann auch der Sohn einen Sohn haben, der dann die Wahl antritt. Zufälligerweise ging Ägypten 1953 von der Königsherrschaft zum republikanischen Regime über (und nicht 1952, wir viele annehmen). 2053 wird Ägypten also 100 Jahre seiner theoretischen Republik feiern, was dem Datum noch mehr Bedeutung verleiht. Also habe ich mit dem Jahre 2053 begonnen und mich rückwärts zu dem Datum vorgearbeitet, an dem die Geschichte erstmalig ihren Charakteren genügend Zeit zur Verfügung stellt, um zu heiraten und bis 2053 erwachsene Kinder zu haben. Den Kalender so einzurichten, dass alle Charaktere bei allen Ereignissen mit ihrer Altersgruppe übereinstimmen, war extrem kompliziert und 2026 war das einzige Jahr, von dem ausgehend der Kalender für alle funktionierte.«

Auch für die Zuschauerin im Jahre 2012. Maha beendet ihre Email mit der Frage: »Und wie ging Deine Rechnung noch mal? Ich konnte nicht alles hören, wegen des Windes.«

Text: Stefanie Schulte Strathaus

Maha Maamoun (*1972 in Kairo, Ägypten) arbeitet vorwiegend mit den Medien Fotografie und Video. Die Stadt, vor allem Kairo, ist in ihrer Arbeit ein durchgängiges Thema. Maamoun´s Arbeiten wurden unter anderem im Witte de With –  Centre for Contemporary Art, Rotterdam (2011) und bei der Ausstellung »Mapping Subjectivity» im MoMA, New York (2010) gezeigt. Sie ist Gründungsmitglied des CIC – The Contemporary Image Collective – einem Raum für zeitgenössische Kunst und Kultur in Kairo.